Am Standort Karlsruhe wird eines der wichtigsten pharmazeutischen Lagerhäuser Europas betrieben. Human- und Tierarzneimittel aus über 50 Produktionsstandorten weltweit laufen hier zusammen und werden in einer Lagerkapazität von 20 Millionen Arzneimittelpackungen gespeichert. Täglich gelangen rund 100.000 der teils empfindlichen, mitunter gefährlichen, oft für die Patienten lebenswichtigen Produkte bedarfsgerecht in den deutschsprachigen Markt. Als Teil der Kritischen Infrastruktur Deutschlands (KRITIS) ist dabei höchste Zuverlässigkeit unerlässlich.
Erfolgsfaktor: Langjährige Partnerschaft
Die Zusammenarbeit des Lager-Betreibers mit TUP an dem Standort zeichnet sich durch eine außergewöhnlich lange Beständigkeit aus – im IT-Bereich nahezu einzigartig: Bereits 1996 realisierte TUP ein vollumfassendes Lagerverwaltungssystem inklusive Kommissionierprozessen und Staplerleitsystem. Über drei Jahrzehnte hinweg konnte das System flexibel auf die Anforderungen des Pharmaunternehmens reagieren – mit ein und derselben Lagerverwaltungssoftware.
Mit der Einstufung als Kritische Infrastruktur gelten für Betreiber besonders hohe Sicherheitsstandards – darunter auch die NIS2-Richtlinie der Europäischen Union zur Cybersicherheit. Um den damit verbundenen Anforderungen auch in Zukunft gerecht zu werden, fiel in diesem Zusammenhang die Entscheidung, das alte System abzulösen. Die Entwicklung des neuen Warehouse Management Systems sollte erneut von und mit TUP umgesetzt werden.
Anfang 2025 ging das neue individuelle Warehouse Management System aus dem Hause TUP bei dem international agierenden Pharmaunternehmen live. Der Projektverlauf bis dahin war geprägt von besonderen Umständen: Nach dem Projektstart im Jahr 2020 wurde die Welt durch die Corona-Pandemie aus den Angeln gehoben. Gerade in der Pharma-Branche mussten zusätzlich zu vielen laufenden kritischen Prozessen auch Ressourcen für Entwicklung und Verteilung von Covid-Impfstoffvarianten bereitgestellt werden. Das Intralogistik-IT-Projekt wurde pausiert, die Zusammenarbeit in andere Bahnen gelenkt. Nach der Pandemie rückte das neue WMS dann wieder in den Fokus. Neue Erkenntnisse des operativen Lagerpersonals konnten zu dieser Gelegenheit nochmals spezifiziert und in Prozessen berücksichtigt werden. Das Ergebnis ist ein maßgeschneidertes Lagerverwaltungssystem, in dem die Punkte Prozessvarianz, Transparenz bzw. Rückverfolgbarkeit und Servicelevel optimal abgedeckt sind.
Enorme Prozessvielfalt
„Individualität wird hier gelebt – das zeigt sich deutlich an der Vielzahl der Prozesse“
so TUP-Projektleiter Nicolas Walther hinsichtlich der Besonderheiten des Vorhabens. Die Notwendigkeit für hochgradig variantenreiche Abläufe ergibt sich aus den gelagerten Waren. Die Bestandsführung im Karlsruher Lager ist geprägt von einer anspruchsvollen Kombination aus strengen Vorgaben – insbesondere zur Rückverfolgbarkeit – und vielen besonderen Produkteigenschaften, darunter Temperaturempfindlichkeit, Gefahrenpotenzial und hoher Warenwert.
Bereits die Einlagerung in das Distributionszentrum bei Karlsruhe erfordert ein bestens abgestimmtes Zusammenspiel zahlreicher miteinander verknüpfter Abläufe. Der markanteste Aspekt: die Topologie des Lagers. Es ist in zwei Temperaturbereiche unterteilt – Normaltemperatur (auch „ambient“ oder „warm“) und „kalt“, wo zwei bis acht Grad Celsius herrschen müssen. Diese räumliche Trennung der Bereiche ist nur der erste Schritt, um eine warenspezifisch ideale Umschlag- bzw. Lagertemperatur zu gewährleisten. Das über die Materialflusslösung TUP.MFC realisierte Transportmanagement steuert sämtliche Bereiche der Intralogistik auf Basis dieser Eigenschaften. So können beispielsweise „warme“‘ Waren gelegentlich durch den Kaltbereich geführt, kalte jedoch niemals dem Warmbereich ausgesetzt werden. Auch bei der Lagerplatzvergabe wird auf die passenden Temperaturen geachtet – denn je höher im Hochregal, desto wärmer. Temperaturlogger überwachen die Bedingungen kontinuierlich. Das WMS bildet eine Unterteilung des Hochregallagers in verschiedene (Temperatur)Schichten ab und berücksichtigt diese Dimension bei der Lagerplatzvergabe.

Weitere Faktoren, die die Einlagerungsstrategien maßgeblich beeinflussen:
- Klassifizierung als Gefahrgut: Diese Waren müssen in der Nähe von Löschtechnik gelagert werden.
- Hochsicherheitsprodukte: Diese Waren werden nach gesondert definierten Vorgaben eingelagert und damit z.B. der Möglichkeit eines direkten manuellen Eingriffs entzogen.
- Physische Faktoren: Dazu zählen variierende Palettenhöhen, die sowohl die verfügbare Anzahl der Lagerplätze aber auch die Lagerstrategie beeinflussen.
Das von TUP entwickelte Lagerverwaltungssystem berücksichtigt alle individuellen Anforderungen des Warenspektrums und ermittelt so die idealen Lagermöglichkeiten und -orte.
Lieferprozesse als Schlüssel
Für das hohe Serviceniveau, das der Pharmakonzern seinem breit gefächerten Kundenspektrum aus Großhandel, Apotheken, Krankenhäusern und verwandten Anspruchsgruppen (darunter auch der Veterinärbereich) bietet, besitzt die Intralogistik eine zentrale Bedeutung. Speziell in der Kommissionierung existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Abläufe: Von MDE-Geräten über automatisierte Fördertechnik bis hin zu Staplern und diversen weiteren Technologien wie Pick-by-Light, verschiedenen Varianten von Ware-zur-Person oder dem sogenannten Smart Picking. Letzteres bildet das Pendant zu Ware-zur-Person und optimiert gezielt entsprechende Kommissionierwege im Lager. Separate Lagerbereiche inklusive gesonderter Kommissionierungsarten ermöglichen die schnelle Abarbeitung erwarteter Nachfragespitzen. Auch für das Handling der oben genannten Hochsicherheitsprodukte stehen gesonderte Prozesse zur Verfügung. Alle Varianten sind für Warm- und Kaltlagerbereich spezifisch implementiert worden.
Zu den Value Added Services zählen u.a. die Bildung kundenreiner Paletten oder das Umpacken in versandgerechte, bruchsichere Kartons. Darüber hinaus werden im Rahmen der operativen Abwicklung weitere Leistungen erbracht, wie etwa der Versand von Impfpassinformationen gemeinsam mit Impfdosen oder der wirtschaftlich motivierte kalte Versand warmgelagerter Produkte. Beim Umgang mit serialisierungspflichtigen Produkten erfolgt das Handling der Seriennummern entsprechend dem operativen Bedarf – entweder durch eine vollständige Erfassung und Ausbuchung oder durch die Bereitstellung warenbegleitender Daten ohne Ausbuchung.

Service bedeutet Geschwindigkeit, Verlässlichkeit, Vollständigkeit
In der Pharmalogistik liegt die Herausforderung nicht in möglichst hohem Durchsatz, sondern im korrekten Umgang mit sensiblen Arzneimitteln sowie deren zeitnaher Verfügbarkeit. Neben absoluter Prozesssicherheit sind daher taggleicher Versand und Liefertreue von zentraler Bedeutung in der Lagerbewirtschaftung. Am Standort Karlsruhe regeln Cut-Off-Zeiten das verbindlich: Aufträge, die vor ihnen eingehen, werden noch am selben Tag kommissioniert und vollständig versendet.
Das neue Intralogistiksystem sorgt für eine detaillierte Dokumentation und Sicherheitsmechanismen bis über das Lager hinaus. Der Warenausgangsprozess beinhaltet nicht nur Abfragen, die zum Beispiel die korrekte Ladungssicherung kontrollieren und nachweisen, sondern erfasst auch, mit welcher Beladung ein Paket das Lager verlassen hat. So sichert das WMS lückenlose Nachverfolgbarkeit über das gesamte Lager hinweg.
Fazit
Trotz dynamischer Rahmenbedingungen – von sich stetig wandelnden Anforderungen bis hin zu stark reglementierten Arbeitsabläufen – gelang es, ein Warehouse Management System zu implementieren, das eines der prozessreichsten Einsatzfelder der Intralogistik sicher beherrscht: Schnelligkeit, Zuverlässigkeit und Vollständigkeit sind essenziell, während strikte Temperaturvorgaben und differenzierte Lager- und Transportzonen zuverlässig verwaltet werden müssen.
Das neue WMS schafft ein ausgeklügeltes Netz von Sicherheits- und Plausibilitätsmechanismen und überwacht jeden Prozessschritt – von der temperaturgetrennten Ein- und Auslagerung über die hochdifferenzierte Kommissionierung bis hin zu ergänzenden Mehrwertdiensten. So bleiben Qualität und Compliance auch bei hoher Prozessdichte unangetastet.
Aus IT-Sicht überzeugt insbesondere die Flexibilität der Lösung: Das individuelle WMS bietet eine außergewöhnlich große Bandbreite an Systemparametern, mit der sich nahezu jede Nuance der operativen Abläufe konfigurieren lässt. Diese vom Kunden gewünschte „brutale Parametrierbarkeit“ ermöglicht einen passgenauen Zuschnitt auf die spezifischen Anforderungen des Pharmalagers – und erlaubt bei Bedarf eine rasche Reaktion auf neue regulatorische oder geschäftliche Rahmenbedingungen. Damit bildet es nicht nur das Rückgrat der aktuellen Lagerprozesse, sondern auch eine solide Basis für die kontinuierliche Optimierung und Zukunftssicherung des Standortes.
Warehouse Management System
TUP.WMS - Das Lagerverwaltungssystem mit kompromissloser Effizienz