Das war also meine erste re:publica; noch immer schwirrt mir der Kopf. Zum neunten Mal fand die Blogger- und Journalisten-Konferenz nun statt und übertraf mit 7.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, 850 Speakern aus 60 Ländern und rund 500 Stunden Programm sämtliche Rekorde der letzten Jahre. Ich durfte als Volontärin der Redaktion von TUP dabei sein und mich vom re:publica-Fieber anstecken lassen.
Und so trudelte ich an allen drei Konferenztagen der #rp15 morgens auf dem Gelände der STATION-Berlin ein, um mich der ersten großen Herausforderung zu stellen: Welchem Vortrag werde ich wohl als erstes lauschen? Bei insgesamt 17 Bühnen oft keine so leichte Entscheidung.
Als Serien-Junkie entschied ich mich am ersten Tag gleich mal für den Vortrag von Netflix-CEO Reed Hastings, der über die Zukunft des digitalen Entertainments sprach.
Laut Hastings soll es in naher Zukunft kein herkömmliches Fernsehen mehr geben, da jeder auf Streaming-Dienste zurückgreifen wird um das anzuschauen, wann und wo er will.
Interessante These. Ich selbst nutze auch fleißig Streaming-Dienste und mit der Serie “House of Cards“ hat Netflix gezeigt, dass Streaming-Portale eine ernst zu nehmende Konkurrenz zum Fernsehen sein können. Aber meinen Sonntagabend-Tatort um 20:15 aufgeben? Eher nicht!
Ich war auf der re:publica 2015 auch als Social-Media-Reporterin für die Firma F-Secure unterwegs. F-Secure ist ein Unternehmen aus Finnland, welches sich auf IT-Sicherheitslösungen und Antivirenprogramme spezialisiert hat. Ich twitterte, postete auf Facebook und bloggte fleißig über deren F-Secure-Container, der im Innenhof der STATION-Berlin stand. In dem Container spielten Schauspieler unterschiedliche zudem private Lebenssituationen nach, bei denen sie von den Konferenz-Besuchern durch Gucklöcher beim Tanzen, Streiten oder im Badezimmer beobachtet werden konnten. Sinn und Zweck der Aktion war es, die Besucher zu animieren, sich im Internet besser zu schützen, um nicht so beobachtet zu werden, wie die Schauspieler von den Konferenzbesuchern. Zu der Kampagne hat das Unternehmen auch gleichzeitig das bereits 2014 angekündigte Manifest „Digital Freedom“ veröffentlicht. Damals stand kein geringerer als David Hasselhoff auf der Bühne.
Die durch die Kooperation ausgehandelte Gage für TUP wurde komplett für einen guten Zweck gespendet. Überraschung: Ich war übrigens nicht die einzige, die auf der re:publica die Social-Media-Kanäle nutzte. An den drei Tagen gab es alleine über 23.000 einzelne Tweets zu der Veranstaltung, insgesamt verbuchten alle #rp15-Besucher satte sechs Terabyte Traffic – was wiederum 2,5 Millionen Stunden Filmmaterial im MPEG-Format beschreibt.
Der F-Secure-Container auf der #rp15
Weiter ging es auf Stage 5 mit einer Podiumsdiskussion mit der russischen Punkrock-Band Pussy-Riot. Hier ging es , na klar, um Presse- und Meinungsfreiheit sowie um die Menschenrechte. „Wenn sie dich ins Gefängnis stecken können, allein weil du in einer Kirche getanzt hast, hat es keinen Sinn, Angst zu haben“, sagte Nadeschda Tolokonnikowa, eine der beiden anwesenden Musikerinnen, über ihren Protest gegen die russische Regierung. Da die Damen von Pussy Riot einen etwas durchgeknallten Auftritt lieferten, war das Programm eine lustige aber auch spannende Abwechslung für mich.
Pussy Riot auf der re:publica 2015
Mein Tag zwei startete ich mit einem Vortrag, der mich nachdenklich stimmte. Mikko Hyppönen, CRO von F-Secure, schilderte in welchem Umfang große Internetkonzerne und Plattformen unsere Daten abfischen und diese dann für Werbezwecke verkaufen. Mir wurde bei dem Vortrag noch einmal mehr bewusst, wie ungeschützt man im Netz ist. Mikkos Aussage „The world’s top scientists are focussed on the delivery of ads. I think this is sad“. Übersetzt: „Die weltweit führenden Wissenschaftler sind nur auf das Ausliefern von Anzeigen fokussiert. Ich denke, das ist traurig“, war an diesem Tag die am häufigsten erwähnte Aussage auf Twitter mit dem Hashtag #rp15 (Quelle: buzzrank.de). Dass das Thema nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmen betrifft, weiß Kryptografie-Experte und TUP-Softwareentwickler Richard Fallert. Im Interview verschaffte er uns einen Überblick über Wirtschaftsspionage in der Intralogistik.
Mikko Hyppönen über die Sicherheit im Netz.
Um die ständige Totalüberwachung mal eben zu verdrängen begab ich mich am Nachmittag zu den Sternen, beziehungsweise zur Stage 1 der re:publica, auf der Astronaut Alexander Gerst von seinen sechs Monaten im All erzählte. Das war definitiv das Highlight der re:publica 2015. Der Saal war brechend voll und selbst die Kleinsten re:publica-Besucher durften dem “@astro_alex“ im Anschluss des Vortrags Fragen zu seiner Mission stellen.
Da TUP ein mittelständisches Unternehmen ist, lockte mich an Tag drei der Vortrag „Online? Bringt uns nichts! – Ein deprimierender Lagebericht aus den Chefbüros deutscher Industrieunternehmen“. Marco Petracca zeigte auf, dass mittelständische Unternehmen die digitale Revolution sehr sensibel und vorsichtig angehen, und das obwohl genau diese Unternehmen nicht selten familiengeführte Weltmarktführer in ihrem Segment sind. Hier beklagte der Redner die zaghaften Fortschritte in die Digitale Welt.
Auch das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine, die Industrie 4.0, waren Themen auf der #rp15. Der Vortrag “Mensch, Macht, Maschine – Wer bestimmt, wie wir morgen arbeiten?“ von Johannes Kleske machte mir mit Aussagen wie „Nutzungsbedingungen sind die neuen Arbeitsverträge“ klar, dass in Zukunft nicht die Automatisierung eine Gefahr darstellt; vielmehr die Ausbeutung der Mitarbeiter weiter zunehmen wird – UBER war daher bei seinem Vortrag ein ständiger Begleiter.
Mensch, Macht, Maschine – Wer bestimmt wie wir morgen arbeiten?
Viele viele tolle Vorträge, interessante Gespräche und wilde Diskussionen endeten am Abend mit der Abschluss-Veranstaltung, die mir eine Gänsehaut auf meine Arme zauberte. Standing Ovations non-stop waren das Ergebnis und brachten die Veranstaltung auf den Punkt.
Da ich ja nicht auf alle tollen Vorträge gehen konnte, haben wir als Redaktion gemeinsam nachfolgend noch mal unsere Highlights aufgeführt.
Anschauen/Anhören lohnt sich!
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- Talk with Netflix CEO Reed Hastings (bereits im Artikel)
- Gunter Dueck: Schwarmdummheit
- Marco Petracca: „Online? Bringt uns nichts! – Ein deprimierender Lagebericht aus den Chefbüros deutscher Industrieunternehmen“ (bereits im Artikel)
- Alexander Gerst: Blue Dot Mission – Sechs Monate Leben und Arbeiten auf der ISS (bereits im Artikel)
- Mikko Hypponen: Is our online future worth sacrificing our privacy and security?
- Johannes Kleske: Mensch, Macht, Maschine – Wer bestimmt wie wir morgen arbeiten?
Nachfolgend noch ein paar Impressionen. Alle Bilder, die wir gemacht haben, gibt es natürlich in voller Größe auf Flickr. Unsere Impressionen zur #rp14 findet ihr unter „Europas einzig wahre Gesellschaftskonferenz“ sowie unter „re:publica 2014 – aller Anfang ist leicht„.
Quelle: #rp15-Zahlen
Mehr Bilder, wie bereits erwähnt, auf Flickr – in hoher Auflösung.