Eine Social-Media-Konferenz – schwer in Worte zu fassen, mit welchen Erwartungen man als Rookie auf so eine Veranstaltung geht. Vielleicht schlechtesten Falls eine spießige Versammlung selbsternannter Social-Media-Manager und Suchmaschinen-Optimierer, bestenfalls eine Konferenz mit spannenden Vorträgen rund um aktuelle Netz-Themen. Soviel sei vorweggenommen: Meine Vorstellung löste sich auf der re:publica 2014 schnell in Luft auf, denn es war gleichzeitig viel weniger und auch viel mehr als das. Ein paar Augenblicke und Eindrücke aus User-Sicht.

6000 Netzaktivisten, vornehmlich in Jeans und Hoodies gekleidet, die drei Tage ungezwungen Informationen geben und nehmen. Darunter Geschäftsführer, Studenten, Politiker, Journalisten, Musiker, Wissenschaftler und die Veranstalter der re:publica (#rp14) selbst, die immer wieder den Kontakt zur Menge suchen – jeder trägt, spätestens beim abendlichen Netzwerken mit Musik und Bierchen, seinen Teil bei. Doch auch den Tag über herrscht eher eine Atmosphäre zwischen Klassenfahrt und Musikfestival denn einer Business-Konferenz. Auf Schritt und Tritt trifft man alte oder schließt neue Bekanntschaften, dann dreht man sich um und da steht: David „the Hoff“ Hasselhoff einen Meter hinter einem. Das ist so albern wie es auch beeindruckend ist, eine Ikone der Kindheit einmal persönlich zu treffen, wenn auch nur als Marketing-Coup einer finnischen IT-Sicherheits-Firma engagiert. Ebenfalls erfrischend: das Geschlechterverhältnis auf der #rp14 ist nahezu ausgeglichen.

Im Mittelpunkt: Die Freiheit der Netzkultur

Also eigentlich eine reine Spaßveranstaltung? Mitnichten. Auf 18 Bühnen kann man über drei Tage Menschen erleben, die die Gesellschaft ein Stückchen verändert haben oder gerade in diesem Moment im Begriff sind, das zu tun. Sicher wäre es vermessen zu behaupten, dass jeder gehaltene Vortrag eine rhetorische oder inhaltliche Offenbarung darstellt, dennoch ist das Niveau der Sprecher im Schnitt sehr hoch. Als übergeordnete Schwerpunktthemen 2014 lassen sich aus meiner Sicht die Freiheit der Netzkultur und deren Beeinflussung durch Überwachung und Politik festmachen. Wie verändern diese Entwicklungen unser Verständnis von Datensicherheit und Persönlichkeitsrechten? Was bedeutet das für das Internet, die Wirtschaft, die Blogging-Kultur, meinen Glauben an Recht und Unrecht?

Multi-Media im wahrsten Sinne

Das gesamte Spektrum der Themen ist aber noch um ein vielfaches größer und bietet auch vielen verschiedenen Medien eine Plattform – auch den vermeintlich totgesagten, die sich auf der re:publica bei weitem als lebendiger entpuppen, als häufig prophezeit. So zeigt Gabriele Fischer, Gründerin und Chefredakteurin des Wirtschaftsmagazins „Brand Eins“, wie mit einem wertigen Produkt durchaus profitables Verlagswesen möglich ist, Tim Pritlove wie man den etwas angestaubten Podcast neu und gewinnbringend in Szene setzen kann oder drei Nachwuchs-Netzwerker, wie man mit Anfang 20 und einem Youtube-Kanal weit über eine Million Follower erreichen kann.
Das alles sind Teile dieser Gesellschaftskonferenz, das alles und noch viel mehr… leider auch viel mehr als eine einzelne Person in drei Tagen erfassen kann. Dankenswerter Weise gibt es nahezu alle Vorträge frei zugänglich zum Nachschauen.

Ein Herzschlag-Finale

Wer im Laufe dieser drei Tage noch nicht gemerkt hat, was diese Veranstaltung vom so oft wiedergekauten Social-Media-Einheitsbrei abhebt, wird möglicherweise bei der Abschlussveranstaltung ganz leise den Herzschlag hören, der die re:publica und ihre Erschaffer ausmacht. Entweder dann, wenn alle knapp hundert Verantwortlichen zusammen auf der Bühne stehen, jeder einzelne einen kurzen Moment ins Rampenlicht gerufen wird und das Publikum nicht müde wird, jedem per Applaus zu danken. Oder dann, wenn ganz am Schluss, aus Tradition, mehrere hundert Leute zusammen die Bohemain Rapsody als Karaoke singen.

Viele Bilder und einige Zahlen und Fakten zur re:publica 2014 gibt es hier.