Kürzlich durfte unsere Redaktion hinter die Kulissen des BAUR-Versands blicken und unzählige Kilometer an Fördertechnik bestaunen. Nach dem gefühlten Marathon in Sachen Führung durch die heiligen Hallen, nahm sich Jürgen Lehmann, Bereichsleiter für Logistik bei BAUR und ein Urgestein in der Branche Intralogistik, Zeit für ein TUP-Interview. Von der langjährigen Zusammenarbeit mit TUP, über die Begrifflichkeit “Same Day Delivery” bis hin zu den positiven Ergebnissen der Automatisierung stand er Rede und Antwort. Am Ende des Interviews haben wir zudem noch eine kleine Bildergalerie eingebunden.

Interview mit Bereichsleiter für Logistik bei BAUR Jürgen Lehmann

In BAUR steckt bekanntlich mehr als nur ein Logistikzentrum oder ein Schuhversand von 1925. Können Sie mir kurz zur Größe des Unternehmens sowie über die täglichen Aufgabenschwerpunkte etwas berichten? Welche Versand-Kunden werden beispielsweise bedient? Wie viel Mitarbeiter hat der Konzern insgesamt?

BAUR gehört zu den größten Versandhandelsunternehmen in Deutschland. Die gesamte BAUR-Group beschäftigt zirka 4.500 Mitarbeiter, davon sind alleine 3.900 Mitarbeiter am Standort Altenkunstadt in Oberfranken beschäftigt. Dabei handelt es sich um einen strategisch wichtigen Standort, der von 1888 bis 1990 sogar das Zentrum der deutschen Schuhindustrie bildete – sprich, eine lange Tradition hat.

Neben BAUR selbst bedienen wir unter anderem auch die Marken SportScheck, Otto-Group (bsp. Heine, Bonprix, Otto), S.Oliver, hagebau und Schwab in Sachen Versandhandel beziehungsweise stationären Handel. Der Service wird aus guten Gründen meist über unsere Tochtergesellschaften BFS Baur Fulfillment Solutions GmbH und Hermes abgewickelt. Denn der Kundendialog, das Warenhandling sowie das Zahlungsmanagment werden seit Jahren im Bereich Servicemanagement und Kundenorientierung wiederholt mit dem Prädikat “exzellent” belohnt. Zudem ist Hermes derzeit in Deutschland der größte Post-unabhängigen Logistik-Dienstleister mit fast zwei Milliarden Euro Umsatz pro Jahr.

Seit 30 Jahren sind TUP und BAUR eng miteinander verbunden. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit, die in Zukunft sicherlich fortgeführt wird. Was schätzen Sie an dieser langfristigen Zusammenarbeit mit TUP? Was ist besonders, an dieser Geschäftsbeziehung?

Über 30 Jahre kann ich leider nicht berichten. Ich bin ja erst 22 Jahre bei BAUR (lächelt). Einen Großteil dieser Partnerschaft durfte ich natürlich miterleben. Als ich damals anfing, wickelten wir zirka 20 Millionen Teile im Jahr ab, mittlerweile liegen wir bei 62 Millionen Teile. Speziell in den letzten zehn bis zwölf Jahren, als die Otto-Group sich an BAUR beteiligt hat, steht bei uns alles auf Wachstum. Technisch betrachtet haben wir das Glück gehabt, mit TUP einen verlässlichen Partner gefunden zu haben. Wenn man Automatisierung betreibt, in unserem Fall Lagerwirtschaftssysteme mit konzipiert, dann begibt man sich langfristig auf eine Art Marathonstrecke. Und im professionellen Umfeld wechselt der Läufer ja auch nicht ständig sein Schuhwerk, vielmehr passt er dieses im Laufe der Jahre an die Gegebenheiten an. Genau das zelebrieren wir mit dem Karlsruher Unternehmen auch. Ein Logistikunternehmen muss sich entscheiden, ob es auf ein stabiles System setzt, bei dem immer wieder individuell an den Schrauben gedreht werden kann; oder ein komplett neues System integriert wird. Letzteres bedeutet aber auch, dass unzählige Millionen Euro in die Hand genommen werden müssten – also wahrlich ein Risiko.

Für uns ist es also wichtiger, mit den Systemen, die wir gemeinsam erarbeitet haben, wirtschaftlich arbeiten zu können. Ein solches auf 30 Jahre hin entwickeltes System ist mit den Jahren nicht nur gewachsen, es ist vielmehr stabil und auf etwaige Störungen von links oder rechts weniger anfällig. Grundsätzlich müssen die jeweiligen Philosophien der Unternehmen zusammenpassen und das menschliche Miteinander stimmen. Der Geschäftspartner muss meine Sorgen erkennen und letztendlich in die Prozesse mit einwirken. Funktioniert das nicht, kann eine Zukunfts-orientierte Entwicklung nicht fruchten. Das Gesamtpaket muss stimmen. Wir haben gemeinsam Projekte gestemmt und das wohl wichtigste an diesen: Die eingesetzte Intralogistik, egal ob Hardware oder Software, funktioniert. Natürlich gibt es auch stressige Momente oder Unstimmigkeiten. Doch solange alle Beteiligten gerne diese komplexen Projekte angehen, die Herausforderungen annehmen, sehe ich keinen Grund, diese Zusammenarbeit abzubrechen.

Können Sie mir ggf. zu den laufenden Metern, die bei BAUR insgesamt Artikel bewegen, Informationen verraten?

An diesem Standort bewegen sich zirka 26 Kilometer Fördertechnik. Zwei Packsorter, ein Sortiersorter (mehr über Sorter in der Intralogisik); über den wir richtungsorientiert die Ware zum Warenausgang steuern. Über mehrere Stockwerke und Gebäude werden täglich Tausende Artikel von A nach B gelenkt, veredelt und kontrolliert – ohne dabei einen Prozess anhalten zu müssen. Hin und wieder kann einem an bestimmten Punkten schon mal schwindelig werden. In welchen Dimensionen wir uns bewegen zeigen die baulichen Veränderungen zu Gunsten unserer Umwelt. Wir befinden uns hier ja nicht im reinen Industriegebiet, sondern in einem Mischgebiet. Zudem haben sich die Arbeitszeiten in den letzten Jahren ebenfalls verändert. Vor 20 Jahren wurde bei BAUR von sieben bis 16 Uhr gearbeitet. In vielen Bereichen wird in der Logistik mittlerweile rund um die Uhr gearbeitet – am Standort Altenkunstadt sind die Mitarbeiter von fünf bis ein Uhr nachts tätig. Daher haben wir uns auch dazu entschlossen, eine mächtige Lärmschutzwand zu errichten, damit die Anwohner durch den laufenden Betrieb nicht gestört werden. Der Hermes-Bereich, von wo aus die LKWs starten, ist sogar komplett überdacht, sprich von der Außenwelt isoliert.

In Sachen Logistik interessiere ich mich persönlich für den technischen Fortschritt. Wo sehen Sie BAUR in 10 und 20 Jahren?

In den vergangenen Monaten fiel immer wieder die Begrifflichkeit “Same Day Delivery“. Sicherlich wird die Lieferung am Tag der Bestellung auch in Zukunft weiter forciert werden. Doch dieser Bestellvorgang ist wirtschaftlich sowie sozialverträglich nicht wirklich abbildbar. Für BAUR würden das beispielsweise für die deutschlandweite Verteilung von Waren am selben Tag fünf neue Standorte bedeuten – sprich, die eigenen Kosten würden explodieren; Billiglöhne wären die Folge. Die Zukunft wird sein, Ware in einem vernünftigen Zeitabschnitt dem Kunden bereitzustellen. Wir sprechen dabei lediglich von einem 24-Stunden-Zeitfenster. Meines Erachtens eine Zeitspanne, die jedem Kunden absolut ausreicht. Wichtig dabei: Das Versprechen von uns, die Ware in 24 Stunden auszuliefern, muss zu 100 Prozent eingehalten werden. Darüber hinaus wird der Kunde in Zukunft benachrichtigt, wann genau seine Sendung bei ihm ankommt. Beispielsweise „Sie bekommen Ihre Sendung zwischen 10-12 Uhr zugestellt“. Der Kurier bekommt demnach die Route genau vorgegeben und der Kunde darf in Echtzeit die Lieferung verfolgen.

Derzeit schaffen wir es, bereits knapp 70 Prozent der Bestellungen am selben Tag abzufertigen, um diese dem entsprechenden Carrier zu übergeben. Die restlichen 30 Prozent finden den Weg zum Kunden in 48 Stunden. Bei 63 Millionen Teilen pro Jahr, die den Warenausgang verlassen, ist das eine enorme Leistung. Der Umweltgedanke wird auch in Zukunft weiter in die einzelnen Prozesse mit einfließen. Seit Jahren arbeiten wir daran, den CO2-Ausstoß stetig zu reduzieren. Sämtliche Maschinen in den einzelnen Abschnitten werden bei BAUR nur noch betrieben, wenn diese auch wirklich gebraucht werden. Über entsprechende Sensoren wird der Förderanlage mitgeteilt, ob sich noch Teile auf der Anlage befinden und bewegt werden müssen. Zudem wird veraltete Mechanik mit neuer ersetzt. Das spart die enormen Energieaufwände und somit natürlich auch die Kosten. Bis 2020 wollen wir den CO2-Ausstoß um 50 Prozent reduziert haben. Es ist gegenüber unserer Umwelt ein faires Ziel und ich bin mir sicher, dass wir dieses auch erreichen werden.

Blicken wir mal zurück. Was war der entscheidende Workflow, der die Logistik stark verändert hat?

Ich bin ja ein Zahlenmensch. Anhand dieser kann man zumindest einen Trend der Vereinfachung erkennen. Vor 15 Jahren haben wir 20 Millionen Teile abfertigen können, jetzt sind es bereits über 60 Millionen. Dabei ist die Anzahl der Mitarbeiter an diesem Standpunkt interessant: Denn damals zählten wir 1.600 Mitarbeiter, heute sind wir knapp 1.200 Mitarbeiter – obwohl wir mehr als das Dreifache an Bewegung bewerkstelligen müssen. Durch die sinnvolle Automatisierung haben wir es geschafft, den Mitarbeiter zu entlasten und mit weniger Mitarbeiter mehr produzieren zu können. Die Anzahl der Mitarbeiter zeigt aber auch, dass massenhafte Entlassungen bei uns, auch im Zeitalter der modernen Technik, kein Thema sind. Die Region ist sozusagen auch das Rückgrat des Unternehmens.